Leserbrief zu 5%-Hürde

Lieber Dr. Zapf,

eigentlich finde ich Ihre Leserbriefe gut und zielführend. Bei dem zur Senkung der 5%-Hürde sehe ich das deutlich anders.
Bei der Bundestagswahl 2021 hatten wir eine Wahlbeteiligung von 76%, bei der Landtagswahl 2021 63%. Das heißt, dass sich im Bund 24% (=15,5 Millionen) und im Land 37% (=2,7 Millionen) von keiner Partei bei der Wahl vertreten fühlten. Dazu kommen nochmal 5,2 Millionen bei der Bundestagwahl und 587 Tausend bei der Landtagswahl, deren Stimme nicht im Bundestag bzw. im Landtag vertreten ist, da sie Parteien gewählt haben, die an der 5%-Hürde gescheitert sind. Ist das demokratisch?

Für mich hängt das damit zusammen, dass nur noch Parteipolitik und damit häufig Lobbyismuspolitik und kaum Sachpolitik betrieben wird. Bringen zwei Parteien inhaltlich ähnliche Gesetzesvorlagen ein, so stimmen die Abgeordneten nur dem eigenen Antrag zu, dem der anderen Partei lehnt man ab. Fraktionszwang, obwohl der laut Grundgesetz eigentlich verboten ist.
Und man macht Politik gegen die eigene Bevölkerung. Ein Beispiel: 64% aller Deutschen sind für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Trotzdem geht die Politik da nicht dran. Noch ein Beispiel: 55% waren für die Fortführung des 9-Euro-Tickets. Die Politik entscheidet für ein Ticket, das mehr als 5x so teuer und nur im Abo zu kriegen ist, also nicht spontan für nur einen Monat gekauft werden kann.
Diese Politik führt zu zunehmender Politikverdrossenheit und das kann man auch niemandem verübeln.
Das Problem ist also nicht die Absenkung der 5%-Hürde, sondern die fehlende Sachpolitik, die ganz viele nicht mehr nachvollziehen können.

Übrigens: Ihr Vergleich mit der Weimarer Republik von 1932 hinkt. 82,3% der Stimmen kamen auf die größten 4 Parteien. Von einer Zersplitterung kann also eigentlich keine Rede sein.
Weniger Parteien müssen auch nicht besser sein. Die Bürger der ehemaligen DDR können ein Lied davon singen.